Kommissarin Jagoda hat den Balkanblues
Halte Dich ans Leben,
Paul Auster; Bericht aus dem Inneren
egal wie absurd, abstoßend
oder quälend es sein mag.
Die Fälle von Kriminalkommissarin Gitta Jagoda
sind weder Reiseführer noch Dokumentation, sondern vielmehr fiktive Geschichten im Umfeld von Verbrechen und deren Aufklärung. Sie leihen sich konkrete Orte und Zeitereignisse für ihre eigene Wirklichkeit. Dafür halten sie sich an Psychologie und Strukturen einer realen Gesellschaft.
Übereinstimmungen, auch Ähnlichkeiten mit existierenden Personen, ihren Namen und Handlungen, sind Zufall und
zu keiner Zeit beabsichtigt.
VIT
1 Tatort Hecht
Die kleine Leiche befand sich zwischen einem Motorrad, das unter einer Plane verrottete, und einem Škoda mit platten Hinterreifen. Sie lag auf dem Rücken, trug eine dunkelgrüne Hose unter dem geblümten Kleid. Ein Anblick, der befremdete. Die letzten Tage und Nächte waren unerträglich heiß gewesen.
Sie hatten die Leonhard-Straße erreicht, da beschwerte sich Polizeianwärter Johannes Brambacher. „Was heißt hier Hechtviertel? Ich sehe weit und breit kein Wasser.“ „Keine Ahnung, warum es so heißt“, log Kriminalkommissarin Jagoda. Sie fuhren zu einem Tatort, nicht auf einer Sightseeingtour. Brambacher war mit der Antwort unzufrieden. „Komischer Ort“, setze er nach.
Komisch war ein anderes Wort für seltsam und Seltsam war der Planet, auf dem er sich nicht auskannte. Er kam aus Bautzen an der Spree, war vor einigen Wochen probeweise in die Mord 2 übernommen worden.
Gitta Jagoda stieg vor ihm aus dem Wagen. Mitte Dreißig und einen Kopf kleiner als der junge Kollege. Die Schultern schmal, die Haare kurz und borstig, als würde sie sie vergebens striegeln. Weder blond noch braun und so unauffällig wie ihr Profil. Aus einem nur ihr bekannten Grund blickte sie meist zur Seite oder nach unten. Der Praktikant hätte nicht sagen können, welche Farbe ihre Augen hatten.
Auf den ersten Blick nahm niemand sie ernst. Was ihr völlig egal war. Jagodas Partner Felix sagte dazu gerne: „Zur Not hast du deinen neuen Dienstausweis und die alte P7.“ Im Augenblick benötigte sie nichts davon.
Vor drei Jahren wäre Kriminalkommissarin Jagoda an diesem seltsamen Ort zu einem Heimspiel angetreten. Damals arbeitete sie im Revier Nord. Das war nicht der einzige Grund, warum sie im Hechtviertel sofort auf Tuchfühlung ging. In den Achtzigern stand ihre Großmutter als Verkäuferin im Gemüseladen an der Ecke Leonhardtstraße. Oma wohnte ihr Leben lang am Bischofsweg, für müde Füße ein leichter Fußweg, auch nur 3 Minuten von Gitta und ihrer Mutter entfernt, die an der Königsbrücker eine Zweieinhalb-Zimmer-Wohnung hatten.
Freundinnen aus Gittas Klasse hausten in ähnlichen Mietwohnungen im Hechtviertel. Da war die Großmutter schon tot und Gittas Mutter überließ die Tochter der Fürsorge ihrer älteren Schwester Louise. Tante Louise wiederum war in den Achtzigern Richtung Alaunplatz auf den unteren Bischofsweg gezogen. Auch heute noch gehörten alle diese Straßenzüge ins Revier Nord.
Mit Studienbeginn traf sich die Jurastudentin Jagoda wieder regelmäßig mit Kommilitonen in den billigen WGs im Hecht. Sie paukten BGB-Paragraphen und internationales Recht, tranken im Leonhardo eine Weinshorle zu Spaghetti Carbonara oder gingen ins nahe Kino, in den Schaupalast. Nicht zu reden von den Events und Konzerten, die so kostspielig waren, dass Jeder nebenbei einen Job brauchte.
Die Stadt, die man Elbflorenz nannte, posaunte von Loschwitz bis Hellerau, von Blasewitz bis in die Südvorstadt ihre Eitelkeiten in die Welt, hier musste man lange danach suchen, denn das Hechtviertel besaß weder eine vergoldete Vergangenheit, noch gab es jemals Versprechen auf die Zukunft ab.
Gitta Jagoda wunderte sich nicht, dass sich so wenig verändert hatte. Die holprige Straße, blinde Fenster am Morgen, im Durchgang zwischen den Häusern 22 und 24 ein Müllkarton mit leeren Flaschen. Kam man in den hinteren Bereich, duckte sich links ein kleiner Seitenflügel mit Supermarkt in den Hof. Davor hatte man in den 90ern die zwei Hinterhöfe zu einem bescheidenem Parkplatz betoniert. Dieser grenzte nördlich an einen verwilderten Hang zum stillgelegten Bahndamm. Der Platz, der Hang, der Damm boten einen trostlosen Anblick. Noch hässlicher die beiden Vorderhäuser, sie zeigten den Ankommenden ihre Rückseite mit heruntergelassenen Hosen, darunter aschgrauer Fassadenputz. Auf den Metall-Balkonen Klappstühle, Geranienkästen, Wäschetrockner, Tonkrüge und anderer Krempel zwischen Tomatenpflanzen und Blumentöpfen. An diesem Augustmorgen im Jahr 2015 bevölkerte ein mürrisches Publikum die Aussichtsplattformen und Fenstergalerien. Die Neugier der Anwohner hing wie Mundgeruch in der Morgenluft.
Polizisten vom Revier Nord hatten engräumig weiß-rote Absperrbänder gezogen. Kriminalkommissarin Jagoda ging auf die Uniformierten zu. Als Ersten begrüßte sie den Polizeiobermeister Horst Weigelt. Gerne hätte sie ein paar Worte mit ihm gewechselt, aber Dr. Katz winkte vom Ende des Parkplatzes. Niemand ließ die Pathologin warten, auch Weigelt nicht, er folgte der Kommissarin ohne Groll. Er hatte schon gesehen, was Jagoda erst zur Kenntnis nehmen musste.
Die kleine Leiche befand sich zwischen einem Motorrad, das unter einer Plane verrottete, und einem Škoda mit platten Hinterreifen. Sie lag auf dem Rücken, trug eine dunkelgrüne Hose unter dem geblümten Kleid. Ein Anblick, der befremdete. Die letzten Tage und Nächte waren unerträglich heiß gewesen. Auch die fein gestrickte Wollmütze auf dem Kopf und die Strickjacke passten nicht in diesen überhitzten August. An den Füßen steckten abgestoßene Stoffschuhe. Hand- und Fußgelenke waren kindlich zart. In der Rechten hielt das Mädchen einen Plaste-Beutel mit Fladenbrot, Tomaten und Käse fest. Die Linke war auf den blutbefleckten Bauch gepresst.
„Warum hat sie keiner früher entdeckt?“, begann der Polizeiobermeister. Es sollte kein Fragesatz sein. Er war seit 30 Jahren im Dienst und fragte nicht mehr, aber ergänzte ebenso fraglos: „Der Supermarkt hat bis zweiundzwanzig Uhr geöffnet. Scheint so, als wäre sie kurz vor Ladenschluss zum Einkauf geschickt worden.“
Johannes Brambacher setzte sich die Sonnenbrille auf und zeigte keine Eile, die anderen einzuholen. Er trat einen Schritt rückwärts, als er die Tote sah. „Man müsste Leute einsperren, die ihre Kinder nachts herumlaufen lassen.“
Vielleicht war es nur fehlende Erfahrung, die den Polizeianwärter nervte.
„Sie ist kein Kind mehr, aber noch keine Frau“, belehrte Jagoda den Praktikanten. „Rumänin, Albanerin, Türkin oder was weiß ich“, überlegte sie laut. Die Kommissarin wollte nur die Meinung der Pathologin hören. „Was meinst du, Jana, wie alt ist die Kleine?“
Dr. Katz seufzte. „Schlecht zu schätzen. Etwas kleiner als der hiesige Teenager-Durchschnitt. Ich vermute, zwischen vierzehn und sechzehn. Sie liegt seit etwa zehn Stunden hier.“
Die Pathologin hob behutsam die Linke des Mädchens an, um Kommissarin Jagoda die Verletzungen zu zeigen.
„Zwei Einstiche, fingerbreit, mit langer Klinge, einer unterhalb des letzten Rippenbogens. Das bedeutet starke intraabdominale Blutungen. Möglicherweise wäre das Mädchen bei sofortiger Hilfe zu retten gewesen. Mehr kann ich jetzt nicht sagen.“
Gitta Jagoda blickte Dr. Katz an. Wenn sie sich nicht zusammenreißen konnte, würde sie in ein paar Jahren die gleiche Mimik beherrschen. Janas schmales, strenges Gesicht zeigte keine Emotionen. Der harte Ton hatte nichts mit der frühen Morgenstunde zu tun. Dr. Katz fühlte sich beschissen. Tötungsdelikte an Kindern und Jugendlichen machten sie wütend. Wut war keine wissenschaftliche Disziplin. Die Pathologin riss sich zusammen, erhob sich, streifte ihre Latex-Handschuhe ab und strich sich die blondierten Strähnen aus der Stirn. „Vorläufiger Bericht nicht vor vierzehn Uhr. Der Transport ist bestellt. Ich muss wieder los.“
Als sie sich umdrehte, lief sie Henning Helbig von der Kriminaltechnik in die Arme. Der wechselte errötend seine Gesichtsfarbe, auf eine Art, wie es nur Weißblonden gelingt.
Gitta lächelte über die beiden. Dann besann sie sich auf das tote Mädchen. „Zeugen?“ fragte sie den Polizeihauptmeister vom Revier Nord.
Weigelt wies auf die Rückseite des Hauses Nummer 22. Auch hier Neugierige auf dem Balkon oder am Fenster. Der Mord hatte sich herumgesprochen.
„ Erster Stock rechts. Siehst du die Frau, die raucht?“ fragte er. „Isa Ruppert, 38, Köchin. Sie rief gegen sieben an. Wir haben die Ruppert gebeten, in ihrer Wohnung auf euch zu warten. Du wirst sie selber sprechen wollen. Die anderen Mieter können wir nur nach und nach übernehmen. Du weißt, wir sind seit den Etatstreichungen unterbesetzt und haben noch einen Bruch an der Katharinen-, Ecke Alaunstraße.“
Gitta Jagoda brauchte keine Rechtfertigungen. So war sie nicht.
„Danke dir, Horst. Ich muss mit Helbig reden. Bitte, nimm Brambacher, unseren Praktikanten mit. Ihr kümmert euch um die Befragung in den Vorderhäusern. Mit der Anruferin rede ich, danach ist der Supermarkt dran.“
Dr. Katz war verschwunden, aber Helbig von der KTU stand immer noch am selben Fleck. „Tach Henning, warum bist du so spät dran?“
Der große, stämmige Mann erblasste nun. „Frag das die Telefonzentrale! Die hat uns als Letzte informiert. Anfänger sind eine Katastrophe im Job. Mit mir haben wir heute drei Leuten für die Spusi.“ Er beachtete Brambacher mit keinem Blick.
„Tut mir leid“, meinte Gitta. Sie war froh, dass ein erfahrener Kollege wie Weigelt den Platz bereits gesichert hatte. Sie war froh, dass Henning übernahm, war froh, nicht allein zu sein mit der kleinen Toten in der verdreckten Ecke und den gaffenden Leuten im Rücken. Falsche Zeit, falscher Ort, ging es ihr durch den Kopf. Als könne ein lächerlicher Spruch dem Tod die Sense stehlen.
Gitta Jagoda würde nie verstehen, warum mit Tätern ein perverser Heldenkult getrieben wurde, die Opfer dagegen nur Nebensache waren. Sie hatte schon oft erlebt, wie das Leben wirklich spielt. Es waren die Ermordeten, die eine unvergessliche Geschichte erzählten, die Mörder jedoch waren einander beängstigend ähnlich. Das Beste, das sie jetzt tun konnte, bestand darin, die Presse und andere Aasgeier vorerst fern zu halten.
Der Wochen-Rapport hatte länger gedauert. Mitarbeiter aus dem Dezernat 1 verteilten sich eben auf ihre Zimmer, als Gitta Jagoda den Fahrstuhl verließ. Hauptkommissar Morell kam ihr entgegen. „Gut, dass du zurück bist“, sagte er. „Die SOKO Krobatsch steht auf Abruf. Ich musste dich allein losschicken. Hohenkampf will mich unter vier Augen sprechen. Davor brauche ich eine kurze Pause zum Nachdenken. Kannst du mir inzwischen ein paar Unterlagen aus der WiKo holen?“
Viel zu viele Sätze. Ihr Gruppenleiter war weisungsberechtigt. Er machte es auf die samtige Tour, er verteilte ungern Druck von oben nach unten.
Der Fall Krobatsch kam ohne das Dezernat 2 nicht aus. Er ging in die dritte Woche. Ein Mordversuch, als Selbstmord inszeniert. Das Opfer lag im künstlichen Koma. Man verdächtigte rivalisierende Gruppen. Gestern war noch unklar gewesen, ob und wann das LKA übernahm. Kriminalrat Hohenkampf, zuständig für das Dezernat 1, Höchstpersönlichen Rechtsgüter, arbeitete seit diesem Frühjahr mit wechselnden Personalkonzepten. Jede Woche entschied er neu, wer zu welchem Fall hinzu kam oder wer abgezogen wurde. Jaro Morell, Gruppenleiter der Mord 2, hatte an diesem Morgen keine Wahl gehabt. Er musste Kriminalkommissarin Jagoda auch ohne ihren Partner Fix Brauhaus ins Hechtviertel schicken. Der Praktikant war natürlich entbehrlich gewesen. Nun sollte Gitta die Hauspost spielen. Wäre nicht so demütigend, wenn Morell nach dem neuen Fall gefragt hätte. Noch mehr störte Gitta, dass er sich davor drückte, selber in den zweiten Stock zu fahren. Wirtschaft und Vermögen war enger mit dem Dezernat 1 verbunden, als Jaro recht sein konnte. Er kam mit dem Leiter des Dezernats 2 nicht klar. Sie schienen einander ziemlich ähnlich. Mittelgroß, mager, Mitte vierzig, brünetter Typ. Gewissenhaft, fast pedantisch, aber überraschend in ihren Entscheidungen. Einen erheblichen Unterschied gab es dennoch. Morell war ein Eigenbrötler und frisch geschieden. Kleinschmidt, der Leiter der Wirtschaftskriminalität hatte vier Kinder und verbreitete gern die Aura eines strengen Übervaters.
Der einzige Grund, warum Gitta den Auftrag ihres Gruppenleiters ohne Widerspruch annahm, hieß Nicole Brettel. Ihre beste Freundin saß im Vorzimmer des Dezernats 2. Sie arbeitete doppelt solange wie Gitta im Haus, brühte gerne einen Tee für ihre Freundin, hatte oft einen beruflichen Rat, ein Mut machendes Wort für sie. Im stillen hielt sie selbst sich eher für feige, weil sie Innendienst gewählt hatte.
Die Akte Sievert AG lag bei Kleinschmidts Leuten. Nicole hackte mit ihren langen dünnen Fingern auf der Tastatur herum, wühlte sich durch die Papierberge, die der Dezernatsleiter regelmäßig auf ihrem Schreibtisch ablud. sie fragte, was los sei.
„Morgens halb acht im Hechtviertel“, antwortete Gitta bedrückt. „Das Leonhardo macht erst mittags auf, sonst hätte ich mir einen Whiskey geholt.“
Ein Blick zur Seite, während Nici weiter tippte. „Du siehst auch ohne beschissen aus.“
„Danke für die Blumen. Ich musste eine Mädchenleiche bergen lassen. Die Jungs hatten dafür keine Zeit. SOKO-Rapport bei Kriminalrat Krampf. Ich brauche eure Sievert-Akte für Jaro .“
„Sei doch froh, dass du mal einen eigenen Fall hast“, entgegnete Nicole. Sie schielte nach der Tür zum Chefzimmer, drehte sich endlich ihrer Freundin zu.
Gitta schüttelte den Kopf.
„Froh sein über eine Tote, die noch nicht lange genug gelebt hat, um sich zwischen Kind und Frau sein entscheiden zu dürfen.“
Warum nur verstanden so wenige Leute im Haus die Kollegen aus der Mordkommission? Einzige Ausnahme war Dezernat 4, Personenfahndung, die wühlten oft im selben Elend.
Nicole erhob sich, griff aus einem Postfach eine dick gefüllte Mappe.
„ Alles anderen in unserer Datenbank. Mehr kann ich leider nicht für dich tun. Hier brennt die Luft. Nebenan sitzt das LKA. Ruf mich um zwölf mal an!“
Gitta schnappte sich die Sievert-Unterlagen und fuhr ins Erdgeschoss zur Vermisstenstelle. Da saß Polizeimeisterin Anna Drache als Vorposten im D4, eine zugewanderte Russland-Deutsche und am Anfang ihrer Karriere. Gitta Jagoda hatte bisher nur Gutes über die junge Frau gehört.
„Ich hoffe, du kannst mir weiterhelfen. Wir haben eine Tote, zwischen 13 und 16; maximal ein Meter fünfundfünfzig, Mittelmeerraum. Hast du eine passende Anzeige?“
Anna Drache strich sich mit beiden Händen über ihre Sauerkrautlocken. Sie musste nicht im Computer nachschauen. „Du meinst sicher die neueren Fälle. Bis auf die bekannten cold cases zur Zeit nur ein Kleinkind und zwei halbe Bosnier, Brüder mit deutschem Pass. Seit Juni gab es keine weiteren unerledigten Anzeigen“, antwortete sie. „Ich gebe dir Bescheid, sobald eine passende Meldung reinkommt.“
Gitta Jagoda fuhr in den dritten Stock zurück und überwand sich, das sogenannte Sekretariat zu betreten. Sie und Elvira Krause waren die einzigen Frauen bei der Mord, aber Gitta hielt Elvira so weit wie möglich auf Abstand. Polizeimeisterin Krause saß im Vorraum zu den beiden Hauptkommissaren, doch im Grunde arbeitete sie seit Jahren ausschließlich für den jeweiligen Dezernatsleiter. Gitta Jagoda klopfte absichtlich nicht an. Sie bereute es sofort.
Jaro und Elvira drehten Gitta den Rücken zu und standen mehr als nahe nebeneinander. Sie blätterte in einem Ordner, er ließ sie machen, hörte ihr zu. Sie wendeten sich gleichzeitig um.
„Kannst du nicht anklopfen?“, beschwerte sich Elvira mit einer Stimme, die einen Tick zu hoch lag. Sie schien besser ausgestattet als Kommissarin Jagoda, trug dennoch nie einen BH unter ihren Seidentops. Die orange getönte Mähne war ein Aufschrei an schlechtem Geschmack. Gitta hatte den Verdacht, dass es Elvira mit ihrer provokanten Art gelungen war, aus der Uniform in die zivile Garde des Präsidiums aufzusteigen. Polizisten kannten sich einfach nicht aus in Stil und Modefragen. Von Morell mal abgesehen. Möglich, dass Gitta auch nur von sich auf andere schloss.
Jaro Morell ging ein paar Schritte auf sie zu, nahm ihr die Unterlagen ab und bedankte sich kurz, aber herzlich. Für ihn war Höflichkeit keine Formsache sondern Taktik. Ihm lag viel daran, alle bei Laune zu halten. Er wollte es sich weder mit Elvira noch mit Gitta verderben. Der Hauptkommissar war ein kompromissbereiter Mensch. Ein Charakterzug, den Gitta an anderen Männern verachtete. Keine Ahnung, warum sie ihn bei Jaro durchgehen ließ.
„Wann können wir über das Hechtviertel reden?“ fragte sie ihren Gruppenleiter.
„Viertelstunde noch“, bat er und tippte auf das Material, das sie ihm übergeben hatte. „Der Staatsanwalt sitzt bei Hohenkampf, ich habe Aufschub bekommen.“
Sie roch es, als sie das Zimmer betrat. Felix Brauhaus, irreführend Fix genannt, hatte heimlich geraucht. Ihr Partner war am Tag seiner Hochzeit zum zweiten Mal zum Nichtraucher konvertiert und hatte sich danach leichtsinnigerweise im Präsidium geoutet. Die Ehe hielt er immer noch für die beste Entscheidung seines Lebens, das andere Versprechen an seine Heike hielt er für einen Fehler. Er kämpfte seitdem mit Übergewicht. Weil er sich auch vor Kollegen nicht bloßstellen wollte, zog er seine Zigarette im gemeinsamen Zimmer durch. Der Tag war nicht zur Hälfte gelaufen, da hatte Fix schon mehrmals seine Lunge gequält. Als Gitta eintrat, saß er auf seinem quietschenden Bürostuhl und ackerte am Fall Krobatsch.
„Unsere SOKO steht. Das LKA kann uns gar nichts. Lohnt sich das Ding im Hechtviertel?“, fragte er, ohne von seinem Monitor aufzublicken.
„Das Ding ist ein minderjähriges, totes Mädchen“, reagierte sie verbittert. „Im übrigen suche ich Brambacher. Der Junge sollte mir die Ergebnisse seiner Befragung geben.“
„Email-Account?“, fragte Felix Brauhaus.
„Ich brauche ihn selber. Ich muss mit ihm reden. Reden mit Fragen, Antworten, Austausch von Ansichten, Blickkontakt. Kennst du das noch?“
„Gehen wir was essen!“, schlug Fix versöhnlich vor. Er musste nicht auf seine Uhr schauen, um zu wissen, dass es Zeit für einen ersten kräftigen Happen war.
Gerüche, Geräusche: eine Riesenwelle schlug ihnen entgegen. Im Meer der Kantinengäste, fanden sie zwei Plätze an Reißmüllers Tisch. Der Kommissarische Leiter des Dezernats 4, Zentrale Aufgaben war ein schlecht rasierter Mann mit Halbglatze. Er schien schon als Alter auf die Welt gekommen zu sein. Obwohl er der selben Generation wie Jaro Morell angehörte, zeigte er kein Interesse an den schönen Seiten des Lebens. Gitta Jagoda lernte Harald Reißmüller im Frühjahr näher kennen. Die Sympathie funkte wechselseitig. Im Haus wie in der Kantine wurde der Erste Hauptkommissar als eine Respektsperson behandelt, sein Markenzeichen die aufgeklappte Tageszeitung. Er wollte einen Vierertisch für sich allein haben, egal zu welcher Tageszeit. Kein Ding für Gitta Jagoda, sie ließ sich ungefragt nieder. Reißmüller blickte über den Rand der Neuen Sächsischen.
„Anna hat mir gesagt, dass ihr ein totes Kind gefunden habt“, meinte er müde.
„Eine Jugendliche“, korrigierte Gitta Jagoda und machte sich daran, eisgekühlte Kirschsuppe zu löffeln. Felix war ihr gefolgt und nickte nur. Er sah keinen Anlass, irgendwas zu sagen, solange er den Teller mit Bouletten-Brötchen nicht geleert hatte.
Reißmüller schien ehrlich interessiert.
„Schon mal an das Erstaufnahmelager gedacht? Ich wüsste keinen Ort in dieser Stadt, wo Leute schneller verloren gehen. Vorgestern haben die Jungs vom Gerede e.V. vier Araber herausgeholt, die von den eigenen Leuten misshandelt wurden. Darunter einer, dessen Vater fast Amok gelaufen ist. Sein Sohn verschwand, ohne sich zu verabschieden. Der Alte beschuldigte die Wachmänner. Dass sein Junge in eine Schwulen-WG zog, hat ihn noch mehr aufgebracht. Sein Sohn sei nicht krank. Sein Sohn sei in seiner Heimat ein Held, Fußballspieler und Kämpfer gewesen.
Das Lager kommt mir wie ein menschlicher Dschungel vor. Nicht einmal unser Zeus weiß, wie wir in diesem Chaos ermitteln sollen, falls wir mal müssen.“
Mit Zeus war der Polizeipräsident Lorenzeus gemeint. Fix lachte, dass ihm der dritte Hemdknopf von unten aufplatze. „Ich danke jeden Morgen allen Göttern“, sagte er zu Reißmüller, „dass wir nicht in die Einsatzteams gesteckt werden. Weder ins Lager, noch zwischen Demonstranten, die sich über die Aufnahmelager hermachen. Dagegen sind unsere Toten eine saubere Sache.“
Gitta mochte es nicht, wenn in der Kantine über Politik geredet wurde. Politik schlug ihr beim Essen auf den Magen. Selbstverständlich redeten alle hier über ihre Arbeit, öfter auch über Autowerkstatt und Schrebergarten, den Fußballclub oder die Familie. Nicht zu vergessen das sicherste Medium unter Kollegen, der Buschfunk. Was Reißmüller nicht gut fand. Er las Zeitung und redete nur, wenn er jemanden mochte.
Gitta Jagoda dachte nach. Mal von potentiellen Totschlägern und Mörderinnen abgesehen, war ihre Arbeit in der Regel tatsächlich eine , bei der sich niemand die Finger schmutzig machte. Oder war das eine von den Legenden, die man sich nur zu gern erzählt? Gut möglich, das tote Mädchen habe zu den Flüchtlingen gehört. Dagegen sprach: Das nächste Aufnahmelager war zwei Kilometer Luftlinie vom Ort entfernt, an dem die Kleine gelegen hatte. Mehrere Kilometer über Land bedeuteten für das Heer der Flüchtlinge nichts. In einer fremden Großstadt dagegen war es nicht nur für eine Minderjährige der Marsch durch eine erbarmungslose Zivilisation.
Gitta hatte ihre Suppe ausgelöffelt, nahm das Rosinenbrötchen für später mit und erhob sich. Sie dankte Reißmüller für den Tipp. Er antwortete mit einem faltenreichen Lächeln.
Minuten später hing Kommissarin Jagoda am Telefon und redete mit Louise Kraul. Tante Lou war in Sachen Zeitung und Stadtgeschichten mindestens ebenso erfahren wie Reißmüller. „Was hältst du von euren Suchmeldungen?“, fragte Gitta.
„Kommt darauf an, wer gesucht wird“, antwortete Louise mit ihrer Billy-Holday-Stimme. „Manchmal wollen Menschen nicht gefunden werden und haben auch das Recht dazu. Dann ist der Schaden größer als der Nutzen.“
„Wir haben sie schon gefunden. Ein neuer Fall, fast noch ein Kind, aber bisher kein Anhaltspunkt, wer, woher und warum.“
„Du und deine Toten“, seufzte Tante Lou. „Kommst du heute Abend? Es wird nicht kühler als gestern. Ich könnte dir Tarator aus dem Kühlschrank und gegrillte Bifteki mit Feta-Salat anbieten.“
Gitta lachte herzlich. „Hast du auch schon den Balkanblues? Die Kleine läuft mir nicht mehr davon, so sehr ich es ihr gegönnt hätte. Ich komme und bringe Rotwein mit.“
„Bring Hunger mit. Den Wein habe ich bereits gekauft. Du weißt doch, dass ich meine eigenen Quellen bevorzuge. In jeder Beziehung. Noch einmal zu deiner Frage. Eine Vermisstenanzeige bei uns könnte für eine Identifizierung nützlich sein. Vergiss nicht, das Foto in Schwarz-Weiß anzuhängen. Das wird beim Druck kontrastreicher und wir haben weniger Aufwand beim Bearbeiten.“
Louise Kraul beendete ihr Gespräch ohne Gruß.
Gitta Jagoda war mit sich zufrieden. Zeitungsmeldungen hatten eine breite Streuung unter älteren Menschen und machten nicht so viel Wirbel wie eine Polizeiansage im lokalen Fernsehen oder im Internet. In den Aufnahmelagern brachte das natürlich nichts. Da könnte man mehrsprachige Flyer aushängen. Auch im Fall, dass die Kleine bereits in einer der Wohnungen oder im Heim untergebracht wurde, müsste irgendwer sie identifizieren, besonders wenn sie zu den so genannten allein reisenden Jugendlichen zählte. War das Mädchen eine Illegale im Land, zum Beispiel eins der Romakinder aus Tschechien, brachte die Aktion nichts ein. Versuch macht kluch, hätte Tante Louise gesagt.
Der Praktikant Polizeianwärter Johannes Brambacher, war abgetaucht, aber in ihrem Email-Postfach entdeckte Kommissarin Jagoda eine Zusammenfassung seiner und Hauptmeister Weigelts Ermittlungen.
Er begann mit einer erste Zustandsbeschreibung der Toten und präzise Angaben zum Fundort. Wenn Brambacher etwas gut konnte, dann das. Leider dürftige Befragungsergebnisse in der Umgebung. Entweder wollten die Bewohner der Leonhard-Straße nicht öffnen oder sie waren nach 8 Uhr bereits unterwegs. Gitta druckte den Text und legte ihn zu ihrem eigenen in die Mappe. Analog war sicherer als jede Datenbank. Da passierte hin und wieder eine Panne, von Dilettanten oder eben so oft von Nerds verursacht.
Die Akte D1_AZ23/2015, unbek., weibl. begann mit einem Formular zur Person, das mehr Lücken als Einträge dokumentierte. Es folgte als zweite Ablage die Befragung von Isa Ruppert, der Anruferin, die 7.05 Uhr in der Zentrale des Polizeipräsidiums den Leichenfund meldete. Köchin im Café Liebling, 38 Jahre alt, wohnhaft in der Leonhard-Straße 22, 1. Stock rechts. Die Aussage von Isa Ruppert war kurz und knapp, aber ausreichend.
Sie hatte ihre letzte Zigarette am Vorabend gegen halb zehn und bemerkte keine ungewöhnlichen Bewegungen im Hinterhof bzw. auf dem Parkplatz. Sie rauchte grundsätzlich nur auf ihrem Balkon, auch wenn der Freund nicht zu Hause war; die Erste immer früh gegen sieben. Da konnte Isa Ruppert von ihrem Balkon aus sehen, dass jemand in einer Blutlache lag. War unsicher, ob sie einen Krankenwagen rufen sollte oder die Polizei, telefonierte mit beiden Notrufen. Eine Streife des Polizeireviers Nord war 7.11 Uhr vor Ort und benachrichtigte die Mordkommission. Der Krankenwagen traf 7.39 Uhr ein, wäre so oder so zu spät gewesen.
Noch unergiebiger war Gitta Jagodas Befragung im Supermarkt gelaufen. Die Kassiererin und zwei sogenannte Einräumerinnen hatten kurz vor 8 Uhr ihren Dienst begonnen und konnten über die Abendschicht keine Aussage machen. Dafür waren der Leiter und eine festangestellte Kollegin zuständig, die Letzten, die sich im Verkaufsraum aufgehalten hatten. Am Folgetag kamen sie nie vor zwölf.
„Wir sind nicht groß genug, um mehr Personal einzusetzen“, entschuldigte sich die Frau an der Kasse. Diese Information hatte Kommissarin Jagoda nur im Kopf gespeichert, ins Protokoll gehörte sie nicht. Sie hasste es, Ordner mit Berichten und Protokollen aufzublasen, egal, ob digital oder analog.
Gitta nahm ihr iPhone und suchte nach Aufnahmen vom Tatort. Die von Henning Helbig waren ein anderes Ressort und wegen ihrer Grausamkeit für die Presse kaum verwendbar. Unzufrieden schickte sie Brambacher eine Nachricht.
„Brauche ein Foto, auf dem das Mädchen nicht so tot aussieht. Hast du was?“
Wo auch immer der Praktikant steckte, er antwortete sofort mit SMS und Anhang. Brambacher war in die Hocke gegangen und hatte seinen Zoom aus einem flachen Perspektive von schräg oben gemacht, der Kopf schien deshalb leicht zurückgelehnt und etwas breiter als in Wirklichkeit. Die Stirn wirkte schmal, am Kopfende war nur der Rand der Mütze zu sehen. Die Kriminalkommissarin betrachtete das Gesicht mit den offenen, dunkelblauen Augen. Die dichten Augenbrauen und die gerade Nase standen fast im rechten Winkel. Der kindliche Mund war leicht geöffnet. Das Gesicht ließ keinen Schmerz erkennen, nur ein großes Staunen. Gitta Jagoda entschloss sich, die Aufnahme zu verwenden und konvertierte sie in Graustufen. Sie telefonierte mit der Kriminaltechnik, um sich von KK Helbig Details zu Kleidung und anderen persönlichen Dingen geben zu lassen. Anschließend verhandelte sie mit der Pressestelle. Sie wollte unbedingt einen eigenen Text formulieren. Dann machte sie sich noch einmal auf den Weg, die Mitarbeiter des kleinen Supermarktes zu befragen.
Eine Geduldsübung, mittags von der Altstadt in die Neustadt zu fahren. Gitta Jagoda nahm die Carolabrücke Richtung Albertplatz, nach langer Zuckelei von da einen Schleichweg, um zügig in die Leonhard-Straße zu kommen. Fuhr auf der Tannenstraße bis an den Park zwischen Königsbrücker Platz und Schanzenstraße und stellte ihr Auto unter den alten Kastanien in eine Parklücke. Auf dem Fußweg zum Supermarkt versuchte sie, sich zu sammeln. Sie bog in den Durchgang zum Hof ein und warf einen Blick Richtung Parkplatz. Die dunkle Lache zwischen Auto und Motorrad hätte auch Öl sein können. Die Anwohner würden sich über einen Fleck mehr oder weniger nicht lange aufregen.
Im Laden machten sich zwischen den Auslagen mehrere Kunden zu schaffen. Kriminalkommissarin Jagoda sprach den einzigen Mann im Raum an, der einen Kittel trug, und hatte, wen sie suchte. Ja, er war der Verkaufsstellenleiter und über den Mord informiert. Er gab einer Frau, die Feinfrostgemüse auffüllte, ein diskretes Zeichen. Die junge Verkäuferin brachte ihre rote Kittelschürze fast zum Platzen. Schwanger oder nicht, sie bewegte sich dennoch geschickt zwischen den Warenstapeln bis zu einer Stahltür hindurch. Der Chef und die Kommissarin kamen erst nach ihr an. Zu dritt betraten sie das Lager mit seinen Flaschenkästen und hoch gebauten Kartons.
Was der Verkaufsstellenleiter als Büro bezeichnet hatte, erwies sich als Nische mit zwei Regalen, einem Tisch mit Rollcontainer, einem halb hohen Tresor und zwei Stühlen. Es war so eng, dass Gitta sich an den Schreibtisch setzen musste, was ihr gar nicht gefiel. Der Marktleiter überragte sie nun um mehr als einen halben Meter. Die Verkäuferin, die auf einem Kistenstapel Platz genommen hatte, blickte neugierig. Dichte Masse auf acht Quadratmetern. Fast fühlte sich die Kommissarin bedroht. Dass sich der Chef und die Angestellte schon über ihre Aussagen verständigt hatten, war sicher. Kommissarin Jagoda stellte die üblichen Fragen zu Personalien und zu Beobachtungen am Vorabend. Sie hatte ihr Handy auf Audioaufnahme gestellt, das musste genügen. Die rote Kittelschürze kam sofort zur Sache.
„Ich erinnere mich an die Kleine, sie war kurz vor Ladenschluss hier. Außer ihr waren nur die üblichen Verdächtigen im Laden, kurz vor zehn belebte sich das Geschäft noch einmal: eine Bekannte, die in der Kneipe nebenan arbeitet, ein Paar auf dem Heimweg, zwei Männer, die gemeinsam Schnaps kauften. Wie immer brauchten die Punks von der Stauffenbergallee Nachschub für ihre Bierkästen. Dann kamen ein paar Typen wegen Pizza und Cola vorbei, ein älterer Mann, um Zigaretten zu kaufen, und zwei Studentinnen für ihr Müsli und das Morgenjogurt. Das Mädchen stand vor ihnen an der Kasse. Es lief mir zweimal über den Weg. Hatte es eilig, als wäre es auf der Flucht. Um diese Zeit schiebe ich unseren Fußbodenreiniger durch die Gänge. Ich hatte die Kleine schon einmal gesehen. Deshalb dachte ich, Eva schickt sie, weil sie wieder was vergessen hat.“
„Wer ist Eva?“ Gitta Jagoda blickte von der Dicken zum aufragenden Chef. Er zuckte mit den Schultern, die Kollegin erklärte.
„Eine Stammkundin, die zwei Häuser weiter wohnt. Eva hat eine Tochter, etwa im gleichen Alter wie die Kleine. Zu dritt machten sie am Sonnabend einen Wochenendeinkauf. Wir hatten Fisch im Angebot, sie nahm Lachs und Pangsasius mit. Für eine Suppenrezept, sagte Eva. Gestern dachte ich mir nichts dabei, als das Mädchen alleine kam. Ist sie eine Verwandte? Arme Eva.“
Kriminalkommissarin Jagoda ging nicht auf die Frage ein. „Kennen Sie den Nachnamen dieser Eva und ihre Adresse?“
Da musste die Verkäuferin passen. Auch der Marktleiter, der im Spätdienst an der Kasse gesessen hatte, wusste nichts mehr zu sagen. Er behauptete, bis auf die Kleine und einen Zigarettenkäufer hätte er nur bekannte Gesichter gesehen.
Die Kriminalkommissarin versuchte es mit zwei letzten Fragen.
„Was geschah nach der Ladenschließung? Haben Sie nicht bemerkt, dass sich jemand auf dem Parkplatz herumtrieb?“
Die Antwort übernahm wieder der Marktleiter.
„Wir brauchen nach 22 Uhr eine Weile, bis wir alles unter Kontrolle haben. Wir sichern den Laden an den Eingangstüren, verstauen die Handkassen im Tresor und schließen die Türen am Hintereingang als letztes. Der rückwärtige Teil des Anbaus, in dem wir uns jetzt befinden, reicht ins Nachbargrundstück, also in entgegengesetzte Richtung zum Parkplatz hinter den Nummern 22 und 24. Wenn wir auf die Straße wollen, können wir über den Hinterausgang zum Hof der 26 gelangen. Sie werden von der Straße her eine weitere Toreinfahrt finden. Von da kommen die Anlieferer an unsere Laderampe.
Den Hintereingang benutzen wir vor Arbeitsbeginn und nach Feierabend, wir gehen gewissermaßen durch das Nachbarobjekt auf die Straße. Ich wohne am Dammweg. Ich komme weder am Kunden-Eingang vorbei, noch am Parkplatz vor unserem Laden.“
„Und ich habe im Nachbarhof mein Fahrrad angeschlossen“, erklärte die Verkäuferin. „Erstens steht es dort sicherer, zweitens habe ich es schneller zur Hand, wenn wir hier dicht gemacht haben.“
„Und auf der Straße nichts bemerkt?“ Die Kriminalkommissarin stellte sich den üppigen Leib auf den Fahrrad vor. Sie konnte nicht anders, es war ihr Kopf, der Wörter in Bilder verwandelte. Durch langjährige Übungen in Selbstdisziplin gelang es ihr, ein Lächeln zu unterdrücken. Die Verkäuferin zuckte mit den Schulter und zog einen Flunsch.
Jagoda fragte nach. „Kein Mensch auf der Straße, im Sommer, abends halb elf! Möglich, dass um diese Zeit im nördlichen Hecht die Bürgersteige hochgeklappt werden, aber nicht hier, in Nähe von kleinen Bistros und Restaurants, fünfzig Schritte bis zu den Haltestellen von Bahn und Bus. Die Leonhard-Straße ist eine beliebte Nord-Südverbindung.“
Die Antwort war ehrlich, aber unergiebig.
„Montagnacht ist hier nichts los. Schließtag bei den meisten Kneipen, weil im Verhältnis zum Wochenende kaum Umsatz gemacht wird. Beim Vorbeiradeln habe ich einige Passanten gesehen. Sie kamen von der Haltestelle am Bischofsplatz. Ich bog dann rechts in die Reuter-Straße ab. Da achte ich nur noch aufs Pflaster . Soll ich mal herumfragen, ob jemand den Nachnamen von Eva kennt?“
Gitta Jagoda lächelte, obwohl ihr nach Meckern war.
„Wir sind mit Sicherheit schneller. Wir finden sie. Bei Mordermittlungen bitten wir Zeugen, unsere Gespräche vertraulich zu behandeln. Ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie sich bei Kundenanfragen zurückhalten würden.“
Die Frau im roten Kittel führte die Kommissarin durch den Supermarkt zurück, nicht ohne dass sie ihr gefrosteten Lachs empfahl. Jagoda meinte, sie bevorzuge als geborene Neustädterin Hechtsuppe. Was ein Witz sein sollte und die Dicke ihr übel nahm.
Kriminalkommissarin Jagoda war auf dem Weg zu ihrem Wagen unter den Kastanien, als das Handy schnurrte.
„Was ist los mit dir? Ich warte seit fünfzehn Minuten im Saal 2“. Die Pathologin.
Jana Katz und Gitta Jagoda trennten ein Altersunterschied von sechs Jahren und einer Promotion in forensischer Pathologie, was beide nicht hinderte, öfter ein privates Wort zu wechseln. Jana besaß selbstverständlich mehr Erfahrungen in Forensik, was sie nie gegen die Jüngere ausspielte.
Gitta Jagoda konnte sich nicht erinnern, mit Jana Katz verabredet zu sein. Was sie auch sagte.
„Jaro hat mich informiert, dass du für den Fall zuständig bist. Bist du oder bist du nicht?“ Dr. Katz klang nun verärgert. „Ich komme“, versprach Gitta.
So eindeutig war das nicht gewesen. Ihr Gruppenleiter hatte sie irgendwann nach sieben angerufen und gesagt, sie solle zu einem Tatort in die Leonhard-Straße fahren. Er wäre vorübergehend verhindert, aber der Praktikant und ein Dienstwagen stünden zu ihrer Verfügung. Kein Wort über ihren Partner Brauhaus. Dass er nicht erschien, machte Gitta wenig Kopfzerbrechen. Aber der Buschfunk im Präsidium funktionierte wieder reibungslos. Er erreichte Nicole auf dem Gang im zweiten Stock, noch ehe die Freundin vom Tatort zurückkehrte. Kurz darauf gratulierte sie Gitta zum ersten eigenen Fall.
Wer hatte das zu wem getragen? Ihr Partner, der Gruppenleiter, der Rat der Götter? Und warum wurde ihr nicht mitgeteilt, dass sie allein verantwortlich war? Informationslücken wie Löcher im Käse, dachte sie. Man wird nicht satt. Wer auch immer, sie war diesmal dran, in der Pathologie den Platz des Gruppenleiters einzunehmen. Wünschte sich, dass der Tag schon gelaufen wäre und sie bei Loulou eine der seltenen Mahlzeiten genießen konnte, die mal nicht aus Döner, Pizza oder Kantinensuppe bestand.
2 Eiskalt erwischt
Gitta Jagoda fragte sich, wie man neben diesem nackten, aufgeschnittenen, wie ein Huhn wieder zugenähten Mädchen eine unverspannte Wahrnehmung zustande bringen soll. Vor Ärger wurde ihr übel. Janas verkopftes Gequatsche war doch nichts als ein Panzer gegen das, was vor ihnen lag: Ein zweimal grauenvoll misshandelter Teenager.
Im Grunde übernahm Hauptkommissar Morell alle unangenehmen Aufgaben in den Fällen der Mord 2. Bis gestern. Bisher gelang es Brauhaus und Jagoda, bis auf wenige Ausnahmen, sich vor den Obduktionen zu drücken. Terminabsprachen zwischen Dr. Katz und Jaro Morell hatten sie meist erfolgreich ignoriert. Am Tatort umschauen, die Leiche sehen, genügte ihnen. Das vorläufige und das abschließende Obduktionsergebnis erreichten sie über Mails, Hauspost und Fotoaufnahmen. Es mussten schon besondere Anlässe sein, wenn sie zu dritt im Reich der Toten und ihrer Meisterin erschienen.
Kriminalkommissarin Jagoda brauchte im Nachmittagsverkehr bis zum Haus P der Universitätsklinik länger als gehofft. Zeit genug, sich eine gute Entschuldigung auszudenken. Jana Katz wollte sie gar nicht hören.
Nein, sie war nicht verärgert. Sie erwartete Gitta Jagoda im Souterrain des Hauses, im Großen Obduktionssaal, hatte sich schon einem anderen Fall zugewendet und unterbrach diese Arbeit. Sie zog sich die Latex-Handschuhe aus, warf sie in den verchromten Abfallbehälter, nahm Gitta vorsichtig am Ellbogen und führte sie in den Nachbarraum zu einem der hinteren Tische. Erst hier nahm sie ihre Kappe vom Kopf. Das gebleichte Strubbelhaar stand sofort in alle Richtungen ab. Dr. Katz wendete den Blick zu ihrer Begleitung und schmunzelte.
„Mach dich locker, Gitta. Verspannt hast du keine objektive Wahrnehmung.“
Als könnte sie den nächsten Augenblick damit verhindern, redete Gitta Jagoda ausführlich vom letzten Mal in diesen Räumen, als ein Brandopfer aus einem Prohliser Hochhaus obduziert wurde.
„Ich erinnere mich. Auch für uns war das eine ungewöhnliche Aufgabe, aber nicht besonders aufreibend. Mir fällt es leichter, total entstellte Körper zu untersuchen als die kaum versehrten. Der Tod erscheint dann glaubhafter. Körper wie dieser hier sind noch so nahe an unserem eigenen Leben.“
Sie zog vorsichtig das Tuch von der Kleinen, referierte, als gehöre Gitta zu den Studierenden der Pathologie.
„Unbekannte Leiche einer etwa Vierzehn-, Fünfzehnjährigen, getötet mit zwei Messerstichen zwischen Oberbauch und Brustbereich, vermutlich ein sogenanntes Butterfly. Leicht mangelhafter Ernährungszustand, aber organisch gesund. Keine Verwahrlosungen erkennbar. Toxikologische Untersuchung noch nicht angeordnet, wird auf Ersuchen der Ermittlungsbehörde nachgeholt. Besonderheit: Innere und äußere Anzeichen einer Vergewaltigung, die etwa fünf bis sechs Tage zurück liegt. Alte und frische Hämatome. Schnittverletzungen, Abwehrspuren an den Händen. Unter den Fingernägeln Hautpartikel. Diese und der Abstrich der Scheide wurden zwecks DNA-Bestimmung eines potenziellen Täters an das forensische Labor weitergereicht. Meinen vorläufigen Bericht habe ich ins Präsidium geschickt.“
Gitta Jagoda fragte sich, wie man neben diesem nackten, aufgeschnittenen, wie ein Huhn wieder zugenähten Mädchen eine unverspannte Wahrnehmung zustande bringen soll. Vor Ärger wurde ihr übel. Janas verkopftes Gequatsche war doch nichts als ein Panzer gegen das, was vor ihnen lag: Ein zweimal grauenvoll misshandelter Teenager.
Gitta schwieg. Bis sie sich eingestand, dass der Ärger sich an die Falsche richtete.
„Zwei Messerstiche sind noch keine Übertötung“, hörte sie ihre eigene Stimme. „Was sagst du?“
„Der erste Stoß sollte vielleicht ins Herz gehen, prallte aber am Rippenbogen ab“, gab Jana Katz zurück. „Der Mörder stach noch einmal zu. Die Hofecke war nachts schlecht beleuchtet. Kann auch sein, der Täter wurde gestört.“
Sie bedeckte den kleinen Körper wieder mit dem Tuch, ließ nicht einmal das Gesicht frei. „Bis zur Identifizierung bleibt sie bei mir. Ich hoffe, ihr findet Angehörige.“
Gitta Jagoda starrte Jana Katz entgeistert an. „Ich hoffe, ich finde den Täter.“
Die Ärztin nickte. „Das auch. Aber zu irgend jemandem wird sie gehören. Der macht sich Sorgen, vermisst sie. Wartet, wünscht sich, dass ihr nichts passiert ist.“
Gitta atmete durch. „Und dann kommen wir mit der Nachricht, dass das Mädchen vergewaltigt und Tage später mit mehreren Messerstichen getötet wurde.“ Sie hatte die Luft angehalten, um nicht mit ihrer Wut auf andere loszugehen.
„Jetzt haben wir zwei Delikte, nicht notwendigerweise zwei Täter. Das wird mir zu viel. Ich brauche meine Jungs. Unser Praktikant ist nicht erfahren genug.“
Die Pathologin wollte weiterarbeiten, zog die Kriminalistin in den Nebenraum. „In wenigen Minuten kommen meine Studenten. Ich bin mit der Vorbereitung noch nicht fertig. Lass dich nicht vom allgemeinen Migranten-Blues anstecken! Falls du mich brauchst, können wir heute Abend miteinander telefonieren.“
Gitta Jagoda nickte. Dann fiel ihr ein, dass sie sich bedanken sollte. Jana Katz lächelte wieder. Die Fältchen in den Augenwinkeln blieben zurück, als ihre Miene konzentriert auf den Körper eines alten Mannes blickte, der zukünftigen Medizinern beibringen sollte, wie man sich dem Tod nähert.
Nur wegen Dr. Katz und ihrer Email war die Kriminalkommissarin auf direktem Weg in die Schießgasse gefahren. Der schwerfällige Sandsteinbau aus dem Jahre 1900 ließ trotz aller Modernisierungsversuche wenig Licht in die Tiefe der Räume. Die Mauern waren so dick, dass sie im Winter Kälte, im Sommer Hitze fernhielten.
Gitta erschauerte, als sie das gemeinsame Zimmer betrat. Felix hatte das Fenster geschlossen gehalten. Das ergaben gefühlte zehn Grad Unterschied zwischen drinnen und draußen.
„Jaro wollte mit dir reden“, begrüßte Fix Brauhaus seine Partnerin. „Beeil dich“ Die SOKO Krobatsch soll sich in ein paar Minuten im Raum 200 treffen. Sei froh, dass du jetzt deinen eigenen Fall hast.“
Weil er nach dem Rauchen nicht gelüftet hatte, blieb Gitta nichts anderes übrig, als selber das Fenster aufzureißen, um den grantigen Geruch zu vertreiben. Die Sonne knallte ihr ins Gesicht. Hitze oder dicke Luft, sie entschied sich für ersteres.
Felix packte eben seine Tasche und hing sich den Riemen über. „So viel ich weiß, mischen wir heute noch die Dresdner Halbwelt auf. Biedermänner im HighTec Gewerbe. Ich komme nicht mehr zurück. Du bist dann die Letzte auf der Etage. Mach Feierabend, Gitta! Du verpasst nichts mehr.“
„Grüß Heike!“ entgegnete Gitta, ohne auf seinen Ratschlag einzugehen. Dann öffnete sie die Mailbox, las und druckte den vorläufigen Obduktionsbericht von Dr. Katz aus. Das Mädchen war eine namenlose Nummer geworden, war ein vergewaltigtes und abgestochenes Opfer. Gitta schloss die Augen, um sich an die kleine Leiche zu erinnern. Das machte nichts besser. Raus hier! Fix wusste, was richtig war. Vielleicht hatte sie morgen den nötigen Abstand, um klare Gedanken zu fassen.
Louise Kraul wickelte sich einen Frotteeturban um den Kopf, als sie ihrer Nichte öffnete. „Nach einer Stunde am Herd musste ich unter die Dusche. Kühler ist mir danach auch nicht geworden.“
Tante Louise, die sich im Alltag zwanghaft seriös kleidete, hatte eine dünne Pyjamahose angezogen und sich ein samtblaues, ärmelloses Shirt übergestreift. So nahe Gitta und sie miteinander waren, Louise Kraul zeigte sich nicht oft in ihrer Erscheinung als Loulou. Gitta fand die Zurückhaltung in Ordnung. Sie respektierte ihre nächste Verwandte wie sie für ihre Mutter Misstrauen empfand, hielt Louise im stillen aber für prüde. Um so erstaunter war sie, wenn sich die permanent sorgende Pflegemutter hin und wieder von ihrer lebensfrohen Seite zeigte. Diesmal übertraf sie sich selbst.
Die Tante musste damit fertig werden, dass sich Gitta nicht angemessen auf den wöchentlichen Besuch vorbereitet hatte. Ihre Hemdbluse zeigte Schweißflecke, die Jeans trug Spuren vom verkrümelten Autositz, von Straßenstaub und feuchten Händen. Nicht auffällig, aber für Louises Augen eindeutig zu viel. Sie schwieg dazu. Brachte das eisgekühlte Tarator auf den Tisch und gab in die Glasschalen jeweils zwei volle Kellen. „Du kannst gerne eine Dusche nehmen. Auf nüchternen Magen ist die Gurkensuppe so oder so noch zu kalt.“
Gitta sprang auf und verschwand ins Bad. Unzufrieden betrachtete sie sich im Spiegel. Klatschte mit ihren nassen Händen ins müde Gesicht. Strich die Haare glatt. Besah sich ihre Fingernägel. Dann ließ sie alle Hüllen fallen.
Heiß, kalt, heiß, kalt. Wie ihr ganzes bisheriges Leben.
Damals, als sie bei der Tante einzog, kontrollierte Louise noch die Hände ihres Sohnes und der Pflegetochter, bevor sie Brot anfassen durften. Es gab einen ernstzunehmenden Grund. Mitten im bescheidenen Wohlstand war eine Seuche ausgebrochen. Magen-Darm-Grippe, besonders gefährlich für Kinder sowie Jugendliche unter 21. Die Kliniken meldeten wöchentlich Sterbefälle. Auch damals waren die Sommer ungewöhnlich heiß.
Tante Lou klopfte an die Tür. „Alles in Ordnung, Mädchen? Ich habe dir frische Sachen an die Klinke gehängt.“
Wie in alten Zeiten. Gitta lächelte sich im Spiegel zu, behielt die Mundwinkel oben, bis sie sich an den Tisch setzte. Die Tante hob ihr Glas.
„Es lebe der Gamza, der einzige trockene bulgarische Wein bei meinem Dealer. Auf dein Wohl, Gitta! Auf dass dieser Sommer dir Glück bringt!“
Gitta nahm einen Schluck, um ihren Appetit zu wecken. „Danke für deine Geduld mit mir, Louise. Schafft ja sonst keiner.“
Louise Kraul blickte erschrocken. „So schlimm? Wenn dich Selbstzweifel anfallen, hat das mit deiner Arbeit, nicht mit Deinem Selbstbild zu tun.“
Gitta seufzte. „Du kennst mich besser als ich mich. Lassen wir den Fall draußen. Ich merke erst jetzt, dass ich seit Tagen nichts Vernünftiges gegessen habe.“
Das Tarator kühlte Schale, Löffel und Magen. Louise Kraul hatte es mit original türkischem Yoghourti angesetzt, die Gurken kamen aus dem Bioladen, der sich von einem Hof hinter Radebeul beliefern ließ. Den Knoblauch hatte Louise von ihrem Redaktionsleiter bekommen, der besaß einen Schrebergarten an der Elbe. Eine Spur zu viel Elbe, doch der Appetit wuchs mit jedem Löffel. Gitta fiel über Maisbrot, Gjuwetsch und Biftekis her, als hätte sie eine Woche lang hungern müssen. Erst beim Nachtisch unterhielten sie sich wieder. Zuckermelone mit Eierlikör und fetter, ungesüßter Sahne.
„Weißt du noch? Damals, als wir zu viert mit Mamalene in Mamaia unseren ersten und letzten gemeinsamen Urlaub verbrachten? Wir alle vertrugen die Melone nicht und saßen eine Nacht lang abwechselnd auf dem Klo.“
Im Sommer 89 hatten die Schwestern Louise und Marlene, bis dahin Loulou und Mamalene genannt, mit ihren Kindern vierzehn Tage im Hotel Lumina gebucht. Während sich tausende Ostdeutsche einen Fluchtweg in den Süden suchten, um im Westen zu landen, brauchten die Schwestern keine weiteren Abenteuer. Die Reise ans Schwarze Meer war ihr Fluchtversuch aus dem Alltag. Er verschlang alle Ersparnisse.
Zwölf Stunden waren die Schwestern mit Sohn und Tochter auf den Schienen unterwegs. Ohne Männer: Marlene seit neun Jahren geschieden, Louise seit einigen Monaten verwitwet. Louise musste sich aus ihrer Depression heraus graben, Marlene war völlig überdreht, weil schwanger. Kein Grund zu ungetrübter Freude. Gittas Mutter hatte einen Fliegeroffizier kennengelernt, dem sie um jeden Preis nach Straußberg folgen wollte. Die Dienstwohnung besaß nur zwei Zimmer. Erst nach der Heirat stand ihm mehr zu.
Wie sollte sie ihrer neunjährigen Tochter Hochzeit und Umzug beibringen? Könnte Louise vielleicht vermitteln? Einmal große Schwester, immer große Schwester. Louise riet zu kleinen Schritten. „Wir machen das gemeinsam. Erst mal reden wir von einem Umzug und hören, was sich Gitta dabei denkt.“
Das Kind dachte nicht, es protestierte reflexartig. Louise versuchte zu vermitteln. Die Kleine durchschaute das Manöver, beschuldigte ihre Mutter, unangenehme Sachen von anderen erledigen zu lassen. Marlene war Lehrerin. Sie glaubte zu wissen, was Pubertät bedeutet und wie viele Spielarten es geben kann. Loulou lachte ihre Schwester Marlee aus.
„Gitta ist gerade mal dritte Klasse. Du konstruierst dir selbst ein Problem und nennst es dann: meine Tochter in der Pubertät. Auch wir, Karsten und ich sind Gittas Familie. Und Hannes hat sie wie eine Tochter geliebt. Er war jahrelang die einzige männliche Bezugsperson. Gitta mochte ihn mehr als die Geburtstagspäckchen von ihrem Vater. Ihr Onkel Hannes ist seit Februar tot. Sie vermisst ihn wie wir. Soll sie jetzt noch auf uns verzichten, weil du andere Pläne hast?“
Gitta nutzte die Gunst der Tante schamlos.
„Mamalene, du zwingst mich nicht, die Schule zu wechseln und mit einem fremden Menschen zusammenzuwohnen. Ich will bei Tante Lou und Karsten bleiben. Und ich will meine Schulfreundinnen behalten. Mehr will ich nicht.“
Marlene war die mit den Schwangerschaftshormonen. Sie beachtete ihre Tochter nicht, sondern beschuldigte nun Louise, eifersüchtig zu sein, weil ihre jüngere Schwester noch einmal schwanger war, noch einmal einen Mann gefunden hatte, der sie heiraten würde.
„Ihr versaut uns den Urlaub“, meckerte Karsten, von dem Weiberdrama genervt. „Wir wollten das Meer, Palmen am Strand und Sonne. Jetzt haben wir das alles und ihr kommt mit ungelegten Eiern. Hat das nicht Zeit, bis wir wieder zu Hause sind?“
Da musste die große Schwester die Karten der kleinen aufdecken. „Deine Tante Marlene bekommt ein Kind.“ Soviel zu ungelegten Eiern.
Schweigen in der Strandburg. Die Urlaubsgeräusche der anderen Touristen, die Möwen und der Wellensound machten es nicht besser.
Gitta fand das erste Wort. „Bitte, Tante Lou. Ich möchte bei euch bleiben. Ich nehme die Besenkammer. Da passt mein Bett rein. In den Ferien kann ich Mama besuchen, dann müsst ihr nicht auf mich immer aufpassen.“
Ab September schlief Louise jahrelang in der Wohnstube auf dem Sofa, damit Gitta bei ihr wohnen konnte, ohne die Besenkammer zu belegen oder mit ihrem älteren Cousin das Zimmer teilen zu müssen. Beides war nie ein Thema. Richtig unangenehm wurde es für Louise Kraul erst, als ihre Pflegetochter mit einer Studienfreundin auf der anderen Elbseite eine WG gründete und Karsten nach dem Informatik-Studium einen Job in den Staaten annahm. Sie nannte es ihre zweite große Depression, aber sie hatte schon Erfahrungen mit tiefen Tälern und ihren dunklen Wegen. Louise Kraul rettete sich diesmal ohne Meer und Palmen, indem sie die 3-Raum-Wohnung umräumte, mit Gittas Hilfe alle Zimmer renovierte und ihre Pflegetochter für jeden Dienstagabend zum gemeinsamen Essen verpflichtete. Was beiden gewisse Vorteile brachte.
Auch an diesem Sommerabend atmeten sie die liebevolle Nähe der anderen. Sie genossen den Gamza wie ihre gemeinsamen Erinnerungen. Auf der Zunge zergehen lassen, bis kein trüber Gedanke mehr übrig ist. Sie lachten darüber und redeten sich müde. Zufrieden fuhr Gitta nach Hause. Manchmal genügte es, beieinander zu sein, von vergangenen Zeiten zu reden, keine Fragen zu stellen. Nicht ans Gestern oder Heute, nicht ans Morgen.
Die Presseleute hatten die Suchmeldung jeweils auf ihrer Lokalseite untergebracht. Das Bild in Schwarz-Weiß und Grau ließ das tote Mädchen älter erscheinen, die Angaben zur Kleidung und zu dem, was es bei sich hatte, waren detailliert wiedergegeben. Geblümtes, kurzes Kleid, dunkelgrüne Baumwollhose, schwarze Stoffschuhe, hellbraune Strickjacke, graublaue Wollmütze. Durchsichtiger Einkaufsbeutel mit Tomaten, Käse und Fladenbrot. Kinderportemonnaie, innenseitig mit Faserstift beschriftet. EMMA.
Gitta nahm zufrieden zur Kenntnis, dass die Pressesprecherin des Hauses auf ihrer Seite war. Nichts gekürzt oder sprachlich verändert.
Als Hauptkommissar Morell in seinem Zimmer mit Brauhaus, Jagoda und Brambacher die neuesten Ergebnisse im Fall Krobatsch besprach, stellten die Kolleginnen der Telefonzentrale die ersten brauchbaren Anrufe durch. Gitta nahm im Vorbeigehen aus Elviras Drucker ein leeres Blatt und zog sich auf den Flur zurück, um die anderen nicht zu stören. An einem Fenster zum Innenhof blieb sie stehen, lauscht der Stimme und notierte, was nötig war. Als sie das Gespräch beendete, hatte sie das Papier mit ihrer großen Schrift fast gefüllt.
Inzwischen war im Sekretariat ein weiterer Anruf gelandet. Erstaunlicherweise protestierte Elvira diesmal nicht wie üblich, weil sie für den Kriminalrat und die zwei Hauptkommissare zu viel zu tun hätte. Sie saß in ihrem giftgrünen Georgetteblüschen am Fensterplatz und tippte, als Gitta zurückkehrte. Elvira stoppte, um sich nach Gitta umzudrehen.
„Ich habe dir aufgeschrieben, was der Mensch gesagt hat. Er war mit seinem Akzent schwer zu verstehen. Hoffentlich findest du den Drecksack, der Kinder absticht.“
Jagoda nahm Elviras Notiz, dankte nachdrücklich und öffnete die Tür zu Jaros Zimmer. Er hatte ihr das tote Mädchen überlassen, er musste ohne sie auskommen. Aber sie kam nicht ohne ihn aus.
Zugegeben: Der Fall Krobatsch war um Nummern größer als ihrer. Der Mann überlebte einen Sturz von der Waldschlösschenbrücke. Die Mord 2 war zu einem angeblichen Suizid gerufen worden. Hätte sich dieser Verdacht bestätigt, wäre von Krobatschs Partei und der Familie eine gleichgeschaltete Traueranzeige erschienen und schnell zu den Akten gelegt worden. Erste Indizien zum Mordverdacht wendeten das Blatt. Hauptkommissar Morells Gruppe wurde durch weitere Ermittler und das Dezernat 2 aufgestockt, die SOKO Krobatsch entstand.
Einmal auf der Spur der Killer, deckten die Kriminalisten weitere verdächtige Ereignisse auf. Ein Verkehrsunfall vor einem Monat, der nicht zweifelsfrei geklärt werden konnte, der Mitarbeiter einer Konkurrenzfirma, der seinen Chef wegen Nötigung zu unlauteren Geschäftsgebaren angezeigt hatte. Damals waren zwei Lobbyisten und die Sievert AG ins Licht der Ermittlungen geraten. Kriminalrat Hohenkampf verlangte von seinem Hauptkommissar tägliche Berichterstattung, im Notfall Sofortkontakt. Morell und die SOKO Krobatsch erhielten jede Unterstützung aus dem Haus. Klar, dass die erste Stunde des Wochen-Meetings nur ein Thema kannte.
Auch an diesem Dienstag saß die Mord 2 mit der Akte des Landtagsabgeordneten in Morells Zimmer. Gitta Jagoda hielt sich zurück, bis die Tagesaufgaben aufgelistet und zugeordnet waren. Fix und Jaro wollten die Beratung der SOKO mit Dezernatsleitern und Staatsanwälten vorzubereiten. Polizeianwärter Brambacher sollte diverse Dokumente kopieren. Die Kommissarin Jagoda hatte der Gruppenleiter verschont.
„Was gibt es Neues zu deinem Fall im Hechtviertel? Wie nennen wir ihn?“
Gitta blickte kurz über ihre Notizen.
„Wir haben seit zehn Minuten einen Vornamen, vorausgesetzt, dass es der richtige ist. Im der Geldbörse stand Emma, aber Laura Liebstadt, die Leiterin des Frauenkulturzentrums am Schwedenplatz nannte sie Basima. Sie hatte sich wegen der Suchanzeige in der Neuen Dresdner Zeitung auf Elviras Leitung gemeldet. Sie meinte, Basima sei von ihrer Familie getrennt worden und brauchte eine geschützte Unterkunft. Eine Tilda, ehrenamtlich als Krankenschwester im Erstaufnahmelager, brachte das Mädchen in dieses Frauenzentrum. Es hat tagsüber im Garten geholfen und im Gästezimmer geschlafen. Frau Liebstadt gab an, dass der Raum am Freitag für eine Seminarleiterin aus Hamburg benötigt wurde, deshalb nahm eine Mitarbeiterin Basima gegen 15 Uhr mit nach Hause. Ihr Name: Eva Bommel. Von einer Eva sprach auch die Verkäuferin im Supermarkt. Damit verifiziert sie die Aussage von Laura Liebstadt und umgekehrt.“
Noch vor fünf Minuten hätte Kommissarin Jagoda keine zehn Sätze über den Fall verloren. Schließlich konnten die Männer im vorläufigen Obduktionsbericht selber lesen, was Dr. Katz zu melden hatte. Nun sah die Sache schon anders aus.
„Eva Bommel soll von Montag bis Donnerstag in der Freien Heide-Schule anzutreffen sein. Neben ihrer Lehrertätigkeit leitet sie jeden Freitag einen Tanzkurs im Frauenkulturzentrum. Ihre Adresse steht angeblich im Telefonbuch.
Zu Tilda , die Basima zu den Frauen brachte, wusste Laura Liebstadt nicht einmal den Nachnamen. Ich muss zum Schwedenplatz fahren, um mehr zu erfahren, dann diese Eva Bommel auftreiben und die Familie des Mädchens finden.“
Fix Brauhaus hatte seine Meinung für sich behalten. Nun verlor er die Geduld. Das entsprach viel eher seiner Natur.
„Typisch für alternative Projekte, die von Frauen geleitet werden. Da lässt man eine 15jährge im Haus übernachten und fragt nicht nach Namen und Herkunft oder sucht nach der Familie. So viel Gefühllosigkeit ist mir noch nicht passiert.“
Jaro Morell wusste es besser.
„In Frauenvereinen ist es üblich, nicht lange nachzufragen, wenn jemand Schutz braucht. Wer über sich reden will, redet, wer nicht, wird auch akzeptiert.“
Gitta mochte es gar nicht, dieses respektlose Gerede, das mit dem Tod des Mädchens nichts zu tun hatte. Die Männer interessierten sich nicht für Basima. Schlimmer noch: Der Praktikant zeigte die gleiche Ignoranz. Er nuckelte an seiner Wasserflasche, um nichts Falsches zu sagen.
Sie machte sich Luft. „Das Mädchen war auf der Flucht. Ich meine auch, es hätte mehr Wärme, mehr Entgegenkommen verdient. Was soll uns das nützen, über die Liebstadt oder andere Frauen zu urteilen? Vielleicht wäre es ihre Sache gewesen, sich mit ihrem Gast zu unterhalten, nach der Herkunft und Familie zu fragen. Vielleicht gab es Gründe, dass sie es nicht getan haben. Wenn ich sie gefragt habe, kann ich mir immer noch ein Bild machen. Wir wissen nur, Frau Liebstadt hat dieser Krankenschwester den Schlüssel für die Gästewohnung in die Hand gegeben und sie beauftragt, Lebensmittel zu besorgen.
Ich muss Tilda unbedingt finden. Niemand hat ihr bisher zugehört, wie sie darauf kam, Basima aus den Lager zu lotsen. Was mich wirklich ärgert, ist, dass sich Laura Liebstadt nicht auf unser Gespräch vorbereitet hat. Zwischen dem Lesen der Pressemeldung, ihrem Anruf bei Elvira und meinem Rückruf blieb genug Zeit. Sie kannte nur den Vornamen der jungen Frau, obwohl sie einige Male an der jährlichen Sommerakademie teilgenommen haben soll. Dafür muss es Listen geben, Namen und Adressen, Telefonnummern und so weiter.“
Morell war mit Jagodas Informationen zufrieden, das hinderte ihn nicht, nachzufragen, welche Maßnahmen sie unternommen hatte. Die Kommissarin antwortete zögernd.
„Ich muss Basimas Familie suchen, Eva Bommel finden und habe die Daten bei der Liebstadt angefordert. Für morgen bin mit ihr verabredet. Erst morgen, weil die vielbeschäftigte Frau heute ein Ganztagsseminar mit Gleichstellungsbeauftragten im Rathaus hat. Prioritäten, nennt sie das. Drückt mir die Daumen, dass für die ehrenamtlichen Helfer im Erstaufnahmelager Listen existieren, damit ich darunter meine Tilda finde. Vielleicht weiß sie über die Vergewaltigung Bescheid und hat sich deshalb um Basima gekümmert.“
„Was sagst du da?“ Jaro hatte noch keine Zeit gehabt, den vorläufigen Obduktionsbericht zu lesen. Gitta musste sich zur Ruhe zwingen. Vor ihr saßen drei kerngesunde Kerle, die sich mit dem Verbrechen an einem nicht ganz sauberen, stadtbekannten Landtagsabgeordneten und Unternehmer beschäftigten. Das tote Mädchen hielten Fix und Jaro für einen simplen Fall. Und der Praktikant schwieg so oder so. Sie ließ weder Jaro noch Felix zu Wort kommen.
„Das Mädchen wurde vergewaltigt und Tage später umgebracht. Ich lese alle Dokumente zu eurem Fall. Warum informiert ihr euch nicht über meinen? Von der Familie getrennt, missbraucht und erstochen. Ob ihr Tod eine Folge des ersten Verbrechens war, kann der Obduktionsbericht nicht erklären. Das ist unsere Sache. Ahnt ihr jetzt, welche Kreise das zieht? Ein Täter oder mehrere, zwei Tatorte und mehrere Zwischenstationen. Nicht zu denken, wie viele Personen als Zeugen oder als Verdächtige in Frage kommen. Allein im Erstaufnahmelager sollen derzeit etwa 900 Flüchtlinge leben. Wenn ihr mir nicht endlich Unterstützung gebt, seid ihr für mich erledigt. Als Männer und Kollegen.“
Die drei schwiegen. Gitta hatte sie kalt erwischt. Sie hörte ihrem letzten Satz hinterher und fragte sich, was sie damit gemeint haben könnte. Felix griff in seine Brusttasche und zog die Zigarettenschachtel raus. Steckte sie wieder zurück. Wollte das Zimmer nicht verlassen. Brambacher war jung genug zu sagen: „Ich würde dir ja gerne helfen, weiß aber nicht, wie.“
Gitta seufzte. „Johannes, nimms mir nicht krumm, aber lass solche Sätze stecken!“
Jaro brauchte wie immer seine Minute zu überlegen, welche Entscheidung er treffen sollte. Nicht nur Gitta, niemand war in der Lage, so einen Fall allein aufzuklären.
„Ich rede mit Hohenkampf“, versprach er, „dass er dir Johannes offiziell zuteilt und mit Befugnissen ausstattet, die über ein Praktikum hinaus gehen, außerdem Elvira für euch diverse Aufgaben übernimmt. Wenn das Kind von seiner Familie getrennt wurde, die Vergewaltigung im EAL passiert sein sollte, diese Basima dann auf illegalem Weg aus dem Lager kam, hat dein Fall eine völlig andere Größenordnung. Es tut mir leid, dass ich dir bisher alles allein überließ. Ich versuche, bis zum Nachmittag Von Arnim zu sprechen. Lege bis dahin ein Dossier mit Zusammenfassung an! Du weißt, wie wichtig dem Staatsanwalt und unserem Chef Papiere sind. Alte Schule, aber auch gut. Schaffst du das?“
Gitta nickte. „Ich habe noch eine Information für euch. Während ich mit Frau Liebstadt sprach, hat sich ein Mitarbeiter des Ausländerrates bei Elvira gemeldet. Er übersetzt stundenweise im Erstaufnahmelager und glaubt, er hat das Mädchen am vergangenen Mittwoch gesehen. Er sprach von einer Basima Mawardi. Ich würde ihn gern sofort anhören und das Ergebnis in den Bericht einfügen.“
„Dann los mit dir! Johannes fährt.“ Jaro Morell machte Brauhaus ein Zeichen. „Und du, Fix, geh endlich eine rauchen. Du machst mich nervös.“
Er wunderte sich, dass seine Mitarbeiter sich über ihn amüsierten. Morell hatte keinen Witz erzählen wollen. Er sah einfach nie aus, als könne er nervös werden. Er begleitete Gitta Jagoda ins Vorzimmer und forderte sie auf, zu jeder Zeit bei ihm anzurufen, wenn sie ihn brauchte. „Vorausgesetzt“, sagte er mit Nachdruck, „dein Dossier liegt mir bis Mittag vor.“
Gitta wurde nicht schlau aus ihm. Jaro hatte sich seit dem Frühjahr verändert. Mehr und mehr verhielt er sich wie ein Chef. Damals schien es ihr, als wäre er an ihr interessiert. Vielleicht hatte sie seine Zuneigung überbewertet oder irgendwas falsch gemacht. Sie machte öfter was falsch.